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Lebensläufe von in Zingst bestatteten Bürgern
Grabstelle 1360
Dorothea Blaudow (01.09.1893 - 13.02.1991)
Lehrerin in Zingst 1926 -1947
von Heike Bretschneider (Großnichte)

Dorothea BlaudowAls jüngste von sechs Kindern wurde Dorothea Blaudow in Stralsund geboren. Sie besuchte die höhere Mädchenschule in Stralsund und Rostock und machte 1915 - mitten im ersten Weltkrieg - in Rostock am Lehrerinnenseminar ihr Examen.

Im Juni 1926 brauchte die Schule in Zingst dringend eine Lehrerin. Als Dora Blaudow die Stelle annahm, ahnte sie nicht, dass Zingst ihre eigentliche Heimat werden würde. Damals hatte die Volksschule 5 Klassen, das hieß: die erste und vierte Klasse wurde allein, die zweite und dritte, fünfte und sechste, siebte und achte Klasse wurden gemeinsam unterrichtet.

Dem Kollegium gehörten der Rektor und zwei Lehrerinnen und zwei Lehrer an.

Nachdem eine Kollegin pensioniert worden war, wurde Dora Blaudow – so hieß es damals – erste Lehrerin. Nun konnte sie von dem alten Schulhaus, das nicht mehr existiert, in eine schöne Wohnung, ins neue Schulhaus ziehen, in dem heute der Kindergarten ist.

Gerne erinnerte sie sich an die Zeit, als Walter Schluroff 1927/1928 das Rektorat übernahm. Sie sprach im Alter noch oft von ihm und nannte ihn einen begnadeten Pädagogen. Das Kollegium beschäftigte sich damals intensiv mit den neuesten Erkenntnissen der Reformpädagogik.

In Dora Blaudows Berufsleben waren jene Jahre die schönsten, sie betonte: „Schüler und Lehrer bildeten eine Gemeinschaft.“

Edith Grählert

1929 zum 200. Geburtstag von Gotthold Ephraim Lessing fand an der Zingster Schule eine Feierstunde statt. Bereits damals war die Hetze der Nationalsozialisten gegen die Juden unerträglich. Dora Blaudow übernahm gerne die Gedenkrede und anhand von Lessings Ringparabel versuchte sie den jungen Menschen zu erklären, dass Toleranz und Menschenliebe das ist, was im Leben zählt.

Am 11. August 1931 hielt Dora Blaudow in der Schule die Festrede zum Verfassungstag, dem Nationalfeiertag der Republik. Ihre Rede war ein begeistertes Bekenntnis zur Weimarer Republik, am Schluss mahnte sie: "Demokratie ist eine Aufgabe, die jeden Tag neu zu lösen ist."

Eineinhalb Jahre später kam Hitler an die Macht. Es dauerte nicht lange bis Rektor Schluroff strafversetzt wurde und Heinrich Bandlow, der NS Ortsgruppenleiter von Zingst, die Leitung der Schule übernahm. Mit der vertrauensvollen Zusammenarbeit an der Schule war es vorbei.

An ihrem Geburtstag, am 1. September 1939, saß Dora am Kaffeetisch, als sie im Radio vom Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Polen hörte. „Tränen rollten in meine Tasse“, diesen Morgen hat sie nie vergessen. Sie wusste, was Krieg bedeutet. Im 1. Weltkrieg war ihr Verlobter Walter Heyse gefallen. Im 2. Weltkrieg wird sie drei ihrer Neffen, die sie wie eigene Kinder liebte, verlieren.

Eine eifrige Kirchgängerin war Dora Blaudow eigentlich nicht, aber die mutigen Predigten des Zingster Pfarrers Gerhard Krause (siehe Eintrag Gerhard Krause – Grabstelle 78/80), taten ihr gut. Er machte kein Hehl daraus, dass er die Allmachtsphantasie des Führers ablehnte und mahnte oft: "Gott muss man mehr gehorchen als den Menschen."

Dora Blaudow lernte Pfarrer Krause und seine Frau persönlich kennen. Sie trafen sich im Pfarrhaus oder in ihrer Wohnung im Schulhaus. Oft waren auch die Organistin Lore Hübner und Doras enge Freunde Änne und Ernst Gausmann dabei, die das evangelische Rüstzeiten- und Erholungsheim Zingsthof leiteten.

Gemeinsam hörten sie den „Feindsender“, die BBC, und waren somit über die entsetzlichen Verbrechen der Deutschen in den Konzentrationslagern und über den tatsächlichen Frontverlauf informiert.

Zu Tode erschraken die Freunde, als Pfarrer Krause im Frühjahr 1944 verhaftet wurde und ihm wegen Wehrkraftzersetzung die Todesstrafe drohte.

Ein Jahr später war das „tausendjährige Reich“ besiegt. Am 8. Mai marschierten sowjetische Soldaten auch in Zingst ein. Das Schulhaus musste vorübergehend geräumt werden. Aber schon Ende Mai lud der russische Kommandant Dora Blaudow zu sich und trug ihr auf, den Schulbetrieb wieder zu starten. Schwierig war es, Lehrkräfte zu finden, denn keiner durfte bei der NSDAP gewesen sein. Weit und breit war Zingst die erste Schule, die bereits am 1. Juni 1945 mit dem Unterricht begann.

Zu Dora Blaudows großem Kummer wurde sie 1947 von der Schulbehörde nach Stralsund an die Zentralschule am Frankenwall versetzt.

Aber 1954 erfüllte sie sich einen Herzenswunsch und kaufte sich in Zingst das kleine Häuschen, Kirchweg 3. Es war in einem völlig desolaten Zustand, aber Zingster Handwerker - ehemalige Schüler - halfen ihr, es bewohnbar zu machen. Viele Jahre - vom Mai bis Oktober - lebte sie hier. Für ihre große Familie in Ost und West wurde es das Feriendomizil.

In Zingst wollte Dora Blaudow beerdigt werden, auf ihrem Grabstein sollten die Worte stehen: “Ich liebte Zingst.“

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